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AIS, Teaserbild (OP)

Vitaldaten digital protokollieren – vor, während und nach medizinischen Eingriffen

Das vom Inselspital Bern eingeführte Anästhesieinformations-System (AIS) soll diverse bestehende Papierprotokolle ablösen und Schnittstellen zu verschiedenen Umsystemen bereitstellen.

Das Projekt in Kürze

Die papierenen Anästhesieprotokolle des Inselspitals Bern werden schrittweise durch eine digitale Lösung ersetzt. Mit einer effektiven und nutzerzentrierten Lösung können Vitaldaten von PatientInnen kontinuierlich und zuverlässig erfasst werden.
Zur Benutzergruppe der Software gehören Ärzte und das Pflegepersonal, welche das System innerhalb und ausserhalb der Operationssäle zur Erfassung verschiedenster Daten einsetzen.
Um die digitale Transformation der Prozesse möglichst reibungslos zu gestalten, wird die Software von einem kleinen Team des Inselspitals den spezifischen Bedürfnissen angepasst und kontinuierlich verbessert.

Unser Auftrag

Bei dem von einem externen Softwareanbieter bezogenen Anästhesie-Informations-System (AIS) handelt es sich um eine Art Baukasten, mit dem das Spital individuelle Lösungen für jede seiner Kliniken erstellen kann. Die hohe Flexibilität dieses Baukastenprinzips kann sich aufgrund zu vieler Freiheitsgrade allerdings negativ auf die Nutzerführung auswirken; so mangelte es dem System hauptsächlich an Konsistenz im Visual Design, an Stringenz und Verständlichkeit in der Dialogführung und an einer an die NutzerInnen orientierten Informationsarchitektur.
Wir durften die Analyse der offensichtlichen Usability-Schwachstellen durch eine Expertenevaluation vertiefen und mit Hilfe einer Contextual Inquiry Einsichten in den Prozess der digitalen Transformation gewinnen und diesen begleiten.

Die Herausforderung

Zentraler Aspekt dieses Auftrages war der Umstand, einen bisher auf Papier basierenden Prozess durch ein elektronisches System (schrittweise) abzulösen. Gerade im medizinischen Kontext der Anästhesie ist es besonders wichtig, dass auch in stressigen Situationen Fehler vermieden und bisher gewohnte Arbeitsschritte ohne Mehraufwand durchgeführt werden können.
Als besondere Herausforderung kamen die im Prozess wechselnden Arbeitsplätze sowie die dadurch entstehende Hybrid-Bedienung (Touch-Screen vs. Maus/Tastatur) dazu.

Unser Hauptfokus lag auf der Entschlackung der bereits vorgenommenen Anpassungen im Sinne von «weniger ist mehr». Dabei haben wir uns an diesen Leitfragen orientiert:

  • Welche zentralen Aufgaben müssen mit dem AIS gelöst werden?
  • Wie wurden diese Aufgaben bis anhin (vor der Einführung des AIS) gelöst?
  • Wie würden Benutzer*innen versuchen, diese Aufgaben mit einem interaktiven System zu lösen?
  • Wie können diese Aufgaben nun konkret, effektiv und effizient mit dem AIS gelöst werden?

Unser Vorgehen

  1. In einem ersten Schritt haben wir eine Contextual Inquiry (Beobachtungsinterview) durchgeführt. Dabei hat uns eine Anästhesistin durch die drei typischen Etappen eines operativen Eingriffs geführt und uns vor Ort demonstriert, was sie an den zentralen Stellen tun würde und welche Daten sie wann auf den papierenen Anästhesiebögen einzeichnen bzw. schriftlich festhalten würde.
  2. Auf Basis der Contextual Inquiry haben wir einen Standard-Workflow visualisiert, der mit bereits angedachten Abläufen des bestehenden AIS-Entwurfs abgeglichen wurde.
  3. Im letzten Schritt haben wir eng mit den zwei Entwicklerinnen des internen Projektteams zusammengearbeitet und ausgehend vom vorliegenden Design überlegt, ob es alternative (bessere) Lösungen gibt und inwiefern die Dialogführung durch u.a. einheitliche Farbkodierungen, konsistentes und eindeutiges Wording und kontextbasierte Funktionen optimiert werden kann.

Projektzeitraum

September 2011 – Februar 2013

Auftraggeber

Inselspital Bern
Anästhesiologie und Schmerztherapie
CH-3010 Bern

Methoden & Tätigkeiten

  • Prozessanalyse (Ist/Soll)
  • Contextual Inquiry (Beobachtungsinterview)
  • Prototyping
  • User Interface Re-Design

Ergebnisse

Bei der Analyse des bestehenden Papier-Workflows wurden Abweichungen zum Standard-Workflow gefunden die aufzeigten, dass zum aktuellen Zeitpunkt ein Medienbruch bewusst in Kauf genommen wurde. Gründe dafür waren inexistente Schnittstellen zu den vielen Umsystemen und/oder logistische Schnittstellen zu anderen Abteilungen. Einzelne Papier-Protokolle sollten weiterhin verwendet und die elektronische Lösung partiell eingeführt werden.
Für ausgewählte Bildschirme und/oder Teile davon erarbeiteten wir Re-Design Vorschläge. Im Rahmen dieser konnten wir den zuständigen Projektbeteiligten hilfreiche Tipps zu Usability-Grundlagen & Design-Prinzipien vermitteln, welche für weitere Anpassungen zu Hilfe genommen werden konnten.
Ebenso standen wir beratend zur Seite, wenn gewisse Anpassungen auf Grund von Einschränkungen des Systems nicht umsetzbar waren und suchten machbare Lösungen. Dies führte bei den Rückmeldungen des Projektteams an den Software-Hersteller zu einem konstruktiven Austausch zwischen den Parteien.

Das erfreuliche Ergebnis dieses Projekts war eine AIS-Lösung des Inselspitals, die über die kommenden Jahre hinweg erfolgreich und zufriedenstellend eingesetzt wurde – mit entsprechenden, domänenspezifischen Anpassungen, in allen Kliniken des Berner Inselspitals.
Einige Jahre später (2017) durften wir im Rahmen eines Folgeprojekts zudem eine Masterthesis der Berner Fachhochschule betreuen, welche nach Jahren diverser Anpassungen die Benutzerzufriedenheit des AIS erneut untersuchte.

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